Lost Places in Ahlen

15. – 16. April 2023

Ein Ausstellungsprojekt mit künstlerischen Arbeiten von

Ahmad Almohammad, Claudia Bessmann, Heide Evers, Martin Flis, Richard Fröhlig, Gesine General, Birger Gleiche, Thomas Hartmann, Christine Klang, Tetiana Korol, Waltraud Kunkel, Andrea Lüdemann, Sandra Morbitzer-Holy, Barbara Neuhaus, Dörte Osteroth, Holger Osteroth, Kristian Pichol, Mark Raabe, Stephani Schorn, Andreas „SMOE“ Plautz, Gabriele Stroick, Stefan Tripp, Gan Erdene Tsend, Anna van gen Hassend, Götz Wintterlin, Yesim Yavuz, Birgit Zöller

Die Einladungskarte zur Ausstellung „Lost Places in Ahlen“

Lost Places

Sie sind meist von Menschen verlassen, dem Zerfall ausgesetzt und ihre Zukunft liegt oft im Ungewissen – Lost Places. Diese sogenannten “vergessenen oder verlorenen Orte“ entstehen durch Katastrophen, Kriege, Krisen, gesellschaftlichen, politischen aber vor allem wirtschaftlichen Wandel. Auf der ganzen Welt gibt es zahlreiche dieser Orte – so auch in Ahlen.

So beschrieb sich ein Teil der inhaltlichen Ausrichtung des Projektes „Lost Places in Ahlen“. Der andere Teil war es möglichst viele Menschen aus allen Teilen der Ahlener Stadtgesellschaft zusammenzubringen und in diesem Vorhaben künstlerisch und kommunikativ miteinander wirken zu lassen. Das beide Teile sich so miteinander verwoben haben und eine unerwartete Erfolgsgeschichte schrieben, war jedoch für alle Beteiligten überraschend.

Vorgeschichte

Im Jahr 2022 beschlossen die Volkshochschule (VHS) Ahlen und das Bürgerzentrum Schuhfabrik ein gemeinsames Projekt auf den Weg zu bringen. Es sollte um die sogenannten „Lost places“ und um das Zusammenwirken vieler Menschen aus Ahlen gehen. Als die Finanzierung feststand, wurde ich eingeladen die künstlerische Leitung zu übernehmen. Nach einigen inhaltlichen und organisatorischen Besprechungen kristallisierte sich heraus, dass die Lost Places in Ahlen in einem Dreiklang aus Malerei, Photographie und Film in Szene gesetzt, neu bespielt und deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft transformiert werden soll. Gemeinsam wollten die VHS Ahlen und das Bürgerzentrum Schuhfabrik drei Workshopreihen in den Bereichen Film, Foto und Kreatives Gestalten anbieten, die sich inhaltlich mit den lokalen „verlorenen Orten“ auseinandersetzen und Grundkenntnisse der jeweiligen Ausdrucksform vermitteln sollten.

Am Dienstag, 10. Januar 2023 luden wir abends in die VHS im Alten Rathaus zu einem öffentlichen Infoabend ein. Der Vortragssaal der VHS füllte sich mit ca. 50 Besuchern bis zum letzten Platz. Nach einem kurzen Impulsvortrag von mir und der Vorstellung der Kursleiter*innen Christiana Diallo-Morick (Kreatives Gestalten), Roland Artur Berg (Fotografie), Jens Höckelmann (Film), hatten die Interessierten die Möglichkeit Fragen zum Projekt zu stellen und sich anschließend für die Workshops im Bereich Film, Foto und Kreatives Gestalten anzumelden. Die Kurse waren binnen weniger Minuten komplett belegt.

Arbeitsphase

Die intensive Kursphase mit insgesamt 23 Teilnehmer*innen startete im Februar 2023. Als Anregung und Motiv für die beiden VHS-Kurse Fotographie und Kreatives Gestalten diente der ehemalige Baubetriebshof der Stadt Ahlen an der Alten Beckumer Strasse. Dieses Gelände stellte sich als wahre Fundgrube für Motive und Anregungen heraus. In der Filmwerkstatt der Schuhfabrik unter der Leitung von Jens Höckelmann und Sofia Ose wählten die Teilnehmer*innen als Motiv die Glückauf-Apotheke in der Innenstadt Ahlen und die leerstehende Bodelschwinghschule, die ehemals als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde, aus. Alle Kurse fanden in unterschiedlichen Intervallen an den Wochenenden statt.
Ende März stand mein Besuch aller Workshops an. Ich freute mich über die gute Stimmung und die kreative Lust in den Kursen. Für die Konzeption und den Aufbau der kommenden Präsentation im April sichtete ich ca. 100 der entstandenen und sich im Prozess befindlichen Werke aller Teilnehmer*innen. Vier externe Künstler*innen wurden in dieser Zeit von mir eingeladen, um mit einem ergänzenden „Blick von außen“ das Thema Lost places in der Ausstellung zu weiten. Anfang April wurden alle Werke der Teilnehmer*innen angeliefert, von den digitalen Fotografien große Abzüge geordert, Licht installiert, … . zwei Wochen intensiver Konzeptions- und Aufbauphase während der Osterferien begannen.

Die Ausstellung Lost Places im Lost Place

Die Präsentation der Arbeiten sollte ebenfalls an einem „Lost Place“ in Ahlen stattfinden: der alten Paul-Gerhardt-Schule. Diese ehemalige Grundschule ist momentan ausgelagerter Kursort der VHS für zahlreiche Integrations- und Schulabschlusskurse. Vieles in diesem Gebäude erinnert durch alte Relikte und Objekte an seine vergangene Funktion als Schule und ist belebt durch die jetzige Nutzung. Herausforderung und Spiel zugleich für mich, die Arbeiten so zu installieren und auszustellen, dass die Schule zu neuem Leben erweckt wird. Vom aktuell genutzten Klassenraum, über den vergessenen morbid wirkenden Keller bis hin zur ehemaligen Aula, die mir ihrem 60iger Jahre Charme räumlich herausstach, wurde alles künstlerisch bespielt.

 

SMOE startete seine Arbeit. Von Beginn an schauten viele Menschen dieserschöpferischen Transformation zu bis das Werk am Ende des Tages stand.

Am Samstag, den 15. April 2023 war es dann so weit. Die Schule erwachte zu neuem Leben.

Den Auftakt machte der Graffiti-Künstler SMOE aus Warendorf. Mit Millionen von Klicks im Internet hat er sich einen Platz unter den Größten seiner Zunft gesichert. SMOE ist bekannt für seine spielerische Verwendung von Licht und Schatten, die seine Arbeiten zum Leben erwecken und die Umgebung in einen Spielplatz für die Augen verwandeln. Ab 11 Uhr hatten die Besucher die Möglichkeit dem 38jährigen bei der Entstehung seines Schriftzugs live zuzuschauen und diese wurde vom Publikum während des ganzen Tages reichlich genutzt.

 

Eine Kuchenlandschaft und das große Wandbild von Tetiana Korol lockte zum Genießen, Reden und Verweilen. Das Kaffee im Foyer war ein Kommunikationspunkt für viele Besucher während der Ausstellung. 

Am frühen Nachmittag eröffnete Tetiana Korol im Eingangsbereich der alten Schule das von ihr gestaltete Café. Das große Wandbild mit einem überdimensionierten Auge und die Installation drumherum war Anziehungs- und Kommunikationspunkt für viele Besucher während des Wochenendes. Die gebürtige Kiewer Künstlerin mit Wohnsitz in Ahlen und ihre Freundinnen lockten zu Kaffee und Gebäck, die dankend angenommen wurden. Sowohl das Wandgemälde von Tetiana Korol als auch das Graffiti von SMOE werden als dauerhafte Arbeiten der Schule erhalten bleiben.

Impressionen einer Ausstellung, die versuchen die Atmosphäre einzufangen, die nur live zu erleben ist.

In der alten Aula der Schule wurden die zwei Ergebnisse des Filmworkshops präsentiert.

Um 15 Uhr, kurz vor der ersten Führung durch die Ausstellung, war der Andrang der Besucher so groß, so dass ich die fast 100 Interessierten bereits auf dem Schulhof in Empfang nehmen musste. Dabei reichte das Spektrum der Besucher und Besucherinnen von „alten“ ehemaligen Grundschülern der Schule, neugierigen jungen Menschen bis hin zu Kunstinteressierten. In dieser Gemengelage führte ich durch die räumliche Konzeption und Installation der Ausstellung. Mit anhaltendem Applaus dankten die Besucher.

Die eigentliche Eröffnung fand, wie der Titel „inbetween“ schon ausdrückt, mitten in der Ausstellung statt. In der ehemaligen Aula begrüßte Nadine Köttendorf, die Leiterin der VHS Ahlen, die rund 80 Besucher und drückte ihre Begeisterung für die vielfältige Ausstellung und das gesamte Projektergebnis aus. Stephanie Kosbab, die 1.Beigeordnete und Schul-, Kultur- und Sozialdezernentin der Stadt Ahlen, begrüßte ebenfalls die Besucher und war voll des Lobes: „Mit der Resonanz hätte sie nicht gerechnet“. Sie stellte den Transformationsprozess des Ortes vor und freute sich, dass dieser mit der Ausstellung weiterwachse.

Anschließend führten Christiane Busmann, die Geschäftsführerin des Bürgerzentrums Schuhfabrik und ich in Anlehnung an Joseph Beuys „Rose für direkte Demokratie“ eine Performance aus, die auf die einzelnen Stufen von Transformationen und Prozessen aufbauen: verflüssigen, anreichern, innehalten, transformieren. Nach dem Ausschütten eines Eimers Wasser auf den Holzboden (verflüssigen), wischten wir das Wasser mit dem Schmutz des Raumes auf (anreichern), füllten damit eine Vase und hielten inne (innehalten). Wir steckten eine langstielige rote Rose hinein (transformieren) – ein Zeichen für die beständige Erneuerung der Demokratie, die auch Bestandteil eines solchen Projektes ist. Das Publikum dankte allen Rednern und Performern mit langem Applaus. Danach wurde bei Sekt und Wasser viel diskutiert, geredet und sich weiter der Kunst gewidmet.

Der darauffolgende zweite Ausstellungstag war ebenfalls sehr gut besucht. Zur Führung um 15 Uhr erschienen wieder ca. 100 Besucher. Insgesamt besuchten die Ausstellung an dem Wochenende zwischen 500 und 600 Menschen. Ein voller Erfolg.
Nach der Ausstellung musste die Ausstellung noch am selben Abend komplett abgebaut werden, da am nächsten Tag der Unterrichtsbetrieb wieder startete. Viele der Teilnehmer halfen beim Abbau, so dass noch am gleichen Abend fast der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt war. In den Tagen danach berichtete die Ahlener Presse mit viel Lob und Begeisterung über das Projekt und erhob die Schule zu eine der „temporären Kunstadressen“ in Ahlen.

Stephan US, Juni 2023

Nachklang

Am Anfang standen eine gemeinsame Idee und der Wunsch nach einer Kooperation zwischen der Schuhfabrik und der VHS. Am Ende freuen wir uns über einen wunderbar inszenierten Lost Place in der ehemaligen Grundschule, einen unerwartet hohen Publikumszuspruch und zahlreiche begeisterte Stimmen von allen Beteiligten.

Dazwischen liegen spannende Erfahrungen und Irritationen, die häufig im Unerwarteten steckten.  Diese Überraschungen sind die eigentlichen Highlights bei Kooperationen, denn sie brechen unsere Erwartungen und Bilder, lassen uns ein wenig zurücktreten, um mit Abstand das Ganze zu erkennen. Und sie bieten uns die Möglichkeit uns gegenseitig und uns selbst besser kennenzulernen. Das ist ein Teil des Geheimnisses um das Besondere im Erleben mit Fremdheit und ebenso das Geheimnis, das uns Kunst eröffnet.

Immer wieder geht es um das Wahrnehmen, eine Beschreibung der Situation ohne Bewertung, einen wohlwollenden Austausch darüber, das Lachen und den Spaß an der Entdeckung und das Erkennen wie wir uns mit unseren Potentialen ergänzen können.  

All dies ist uns mit viel Vergnügen im gemeinsamen Projektprozess gelungen! Dafür hier von mir ein dickes Dankeschön an alle Beteiligten.

Christiane Busmann

Die Ausstellung fand im Rahmen der Projekte „Lost Places in Ahlen – Ungewisse Zukunft kreativ gestalten“ und „Integration kreativ und beteiligungsorientiert gestalten“ statt. Beide Projekte werden gefördert im Rahmen des Förderprogramms „Kultur und Weiterbildung“ des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und werden gemeinsam von der VHS Ahlen und der Initiative Bürgerzentrum Schuhfabrik e.V. durchgeführt.

Wir danken Allen herzlich, die uns bei diesem Projekt inhaltlich und tatkräftig unterstützt und geholfen haben.